Kaffeefahrt 2011
Ein Augenzeuge berichtet


Immer wieder werden Briefe von angeblichen Finanzdienstleistern verschickt in denen es manchmal heisst: Für Sie als geschädigte der Firma “Gewinn-Service” haben wir gekämpft und haben für Sie ein Guthaben erstritten. Deshalb können sie ihr Restguthaben in Höhe von (blablabla) Euro bei einem wunderschönen Rahmenprogramm in Empfang nehmen.
Das haben wir zum Anlass genutzt, eine solche Kaffeefahrt aufzuspüren und in Begleitung von Polizei und Ordnungsamt zu hinterfragen. Lesen sie dazu den packenden Erlebnisbericht einer „Augen und Ohren“ Zeugin.
Das war nach 17 Jahren meine zweite Kaffeefahrt. Eine Veränderung der Strategie habe ich nicht feststellen können. Die männlichen Mikrofonträger haben nun zwar so moderne Teile wie sie auch Florian Silbereisen in seiner Sendung nutzt, aber das Erscheinungbild hat sich gar nicht verändert.
Frisch geschnittene Haare treffen auf Faltenhose und Oberhemd. Auch ins Auge fallender Fingerschmuck an dem während der Veranstaltung gedreht wird, ist immer noch aktuell. Die Namen der Personen, gut zu merken. Sie klingen so friedlich und nett wie “ Hans-Willi von der Höhe“ oder „Alexander Bienenstock“.
Sie sind angeblich verheiratet und das mit einer Frau. Warum der Oberbürgermeister von Berlin erwähnenswert ist, wenn es um Eheschließung geht, hätte ich gerne nachgefragt. Aber ich wollte nicht das Zeitschema zerstören, denn die Zuhörer wurden immer ruhiger und passten sehr genau auf, wann es denn nun endlich losgeht.
Was mich aber schon interessiert hätte: Warum präsentiert der Kerl da vorne eine Dampfbügelstation und hat selber ein bügelfreies Hemd an? Hat er seiner Frau noch keine zukommen lassen?
Es gab übrigens einen Centartikel für eine Person der Veranstaltung. Ein kleiner bunter Teddy, völlig kostenfrei und mit Applaus begrüßt.
Das Publikum wächst noch nach. Die letzte Generation ohne technische Hilfsmittel, die nichts von google oder über Suchmaschinenoptimierung wissen, ist froh über solche Einladungen zu einer Veranstaltung mit Gewinnausschüttung. Sie lassen sich mitreißen, private Infos über sich Preis zugeben, die noch nicht mal die eigenen Kinder wissen.
-Waren sie schon mal in Bad Zwischenahn?
-Kennen sie Ostfriesland?
-Wer hat schon mehr als 3 mal an einer unserer Veranstaltungen teilgenommen?
-Wer ist heute das erste mal bei einer Veranstaltung?
-Haben sie schmerzen?
-Sind sie vergesslich?
-Wie hat ihnen unser zur Verfügung gestelltes Frühstück geschmeckt (heute ist der 31. und die Butter war schon 10 Tage über Mindesthaltbarkeitsdatum)?
-Kennen sie schon unsere Es(x)pressomaschine (die Aussprache hat mir ein Schmunzeln heraus rutschen lassen)?
Was da noch zu bemerken ist, war ein kleiner Zettel, der Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer und die Abstimmung über gefallen der Veranstaltung forderte. Dieser sollte aber erst ausgefüllt werden, wenn der Hauptteil der Veranstaltung endete. Die eifrigen Schreiberlinge bekamen eine Rüge, weil sie so ungehalten waren.
„Wir schliessen hier keine Türen ab, wenn die Hauptveranstaltung losgeht, soll es in der Vergangenheit ja schon mal gegeben haben“. Und schon kam eine Meldung, dass es jemand am eigenen Leib erfahren hatte. Und was für ein dackeltreuer Blick mit den Worten „bei uns aber nicht“, darauf hin folgte, brauchte Bewegung in den Raum, denn nicht jeder schien davon überzeugt gewesen zu sein.
Besonders dreist waren die Anmerkungen, dass die vorgestellten Produkte in Apotheken Umschau, Gesundheits Bild, „kennen sie doch alle“ und u.a. einem handlichen Rätselheftchen vorgestellt wurden. Ja, das wurden sie, aber als Anzeige, gut siehtbar, wenn man in der Lage ist, aus größeren Entfernungen das Kleingedruckte erkennen zu können.
„Und die PZ-Nummer des Produkts, sollte sie sich aufschreiben, damit sie die mit ihrem Apotheker abgleichen können.“ Warum abgleichen ist doch klar (aber die Nummer ist völlig nutzlos, wenn es um die Ware geht), aber deshalb wird nichts besser, schlechter oder glaubwürdiger.
Der schon seit Jahren verbreitete Messerkoffer wurde auch ins Gespräch gebracht. Wäre echt enttäuscht gewesen, wenn nicht.
Eine Wundermaschine, die Geflügel und Fisch gleichzeitig auf 2 Ebenen (ohne dass Fisch nach Geflügel und Geflügel nach Fisch schmeckt) zubereiten kann, „mit 220 Volt“. Ja, die meisten Zuhörer hatten in der 50er Jahren noch 110 Volt kennengelernt.
Aber seit wieviel Jahren in Deutschland neue Geräte mit einem Aufdruck „230 Volt“ oder „220 -240 Volt“ verkauft werden, weil vor Jahren von 220 auf 230 umgestellt worden ist, wer weiß das schon als Teilnehmer einer Veranstaltung vom Finanzdienstleistungen Jensen-Weise-Feldhaus.
Jensen-Weise-Feldhaus, diese Worte sind übrigens kein einziges mal während der ganzen Veranstaltung gefallen. Ich bin mir ganz sicher, die sind echt, sonst hätte es doch keine Benachrichtigungen gegeben.
So echt wie die angegebene Postfach- Adresse der verschickten Infopost, die niemandem vorher als Merkmal für eine unerreichbare Kontaktaufnahme aufgefallen ist, denn Telefonnummer wären lästig und eh nicht erreichbar.
So kommen neue und schon seit Jahren bekannte zustellfähige Adressen in Bewegung. Infopost kann nicht an den Absender zurück geschickt werden, egal ob Hausanschrift oder wie in diesem Fall Postfachadresse, ohne dass eine Briefmarke zur Rücksendung auf einen neuen Umschlag kommt.
Die durchaus echt wirkenden freundlichen Blicke der wechselnden Veranstaltungsleitung, haben bestimmt einige ältere Herzen aufleben lassen. Wer alt und einsam ist, hat nicht täglich viele schöne Momente. Blickkontakt wurde nicht nur zum Sprecher gesucht, auch untereinander. Und wer mehr als eine Sekunde Blickkontakt geschafft hatte, wurde hemmungslos angesprochen. So entstehen hoffentlich auch Bekanntschaften, die eine weitere Teilnahme an diesem Veranstaltungen ausschließen.
Und das was im Leben, egal ob jung oder alt auch sehr wichtig ist, die all mittagliche Nahrungsaufnahme, wurde schon sehr früh angesprochen. Dabei gab es nicht viel zu überlegen. „Esse ich auch oder traue ich mich etwas anderes vorzuschlagen?“ Ja, es gab zwei Meldungen, die kein Fleisch, kein Gemüse, keine Kartoffeln mochten und vor allem keine Sosse. Sie wünschten Salat, nur einen Salat.
Was oben reinkommt, muß unten wieder raus. Und der Weg zu den Toiletten wurde für mich zu einen Aha-Erlebnis, denn die Hände des Gesichtes an der Zapfanlage waren vor ein paar Minuten noch die Hilfe im Hintergrund der „Bühne“ der Veranstaltung. Heutzutage ist es ja nicht unüblich, dass man einen Nebenjob hat. Aber die Kombination von Bedienung in der Gastronomie, die gleichzeitig Räume vermietet für Veranstaltungen, die mir unbekannte Ware präsentieren und fließend nach verteilen von Getränken als Hilfe im Hintergrund der Veranstaltung arbeiten, hat das einen weitaus größeren Hintergrund?