Individualvereinbarung oder Regelung für alle
Die geheimnisvolle Welt der AGBs

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) zählen wahrscheinlich zu einem der letzten Mysterien auf diesem Planeten. Meist lesen sich durchschnittlich verfasste AGBs wie eine längst ausgestorbene Sprache, und gedruckt ist das Ganze noch in einer Schriftfarbe, die von der des Papiers kaum zu unterscheiden ist, ganz zu schweigen von der Schriftgrösse.
Das Verfassen von AGBs ist mit einem grossen redaktionellen Aufwand und einem fundierten rechtlichen Wissen verbunden. Es liegt auf der Hand, dass Kleinunternehmen die Abkürzung nehmen, indem sie einfach die AGBs der Konkurrenz kopieren. Lesen wird sie eh niemand. Oder haben Sie schon mal den Button «Nein» gedrückt als Ihr iPhone den Download der neuesten «Updates» runterladen wollte? Damit Sie mit dem Handy weiter telefonieren können, akzeptieren Sie unbesehen 42 Seiten amerikanischer Geschäftsbedingungen. Gleich verhält es sich bei einer Bestellung Ihres grössten und wichtigsten Kunden. Da nützt es nicht sehr viel, dass Sie auf Ihrer Offerte den Hinweis auf die AGBs auf Ihrer Homepage anbringen. Ihr Kunde sagt schon, wessen AGBs am Schluss gelten.
Sinn und Nutzen von AGBs
Grundsätzlich verbergen sich hinter dem Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen, die für eine Vielzahl von Verträgen und Situationen entworfen werden. Sie wurden also geschaffen, damit nicht bei jedem Vertrag mit jedem Vertragspartner Details mühsam neu verhandelt werden müssen, die ohnehin immer gleichbleiben. Das Gegenstück zu AGBs sind die sogenannten Individualvereinbarungen. Diese liegen dann vor, wenn beide Vertragsparteien einige Klauseln oder den gesamten Vertrag ausgehandelt haben. AGBs können zur Individualvereinbarung werden, wenn die AGBs der Gegenseite ernsthaft zur Disposition gestellt wurden. Will heissen, dem Vertragspartner die echte Chance einzuräumen, über jede Klausel verhandeln zu können.
Was gehört in die AGBs hinein?
Geregelt sollte nur das, was regelmässig wiederkommt. Wenn eine Unternehmung nur Dienstleistungen erbringt, macht es wenig Sinn, eine halbe Seite über die Versandbedingungen zu schreiben. Ebenso macht es wenig Sinn, alle Artikel der werkverträglichen SIA-Norm 118 auszuführen, wenn Ihre Firma im Baunebengewerbe tätig ist und lediglich Lieferungen aus Kaufvertrag ausführt. Was genau in die AGBs hineingehört und was nicht, ergibt sich aus der Branche, in welcher Sie tätig sind. Zentral ist die Überlegung nach den Streitpunkten wie zum Beispiel: Die Ware kommt wegen einem Stau am Gubrist verspätet an. Wer trägt die Kosten für die Folgen? Dann geht es zum Beispiel um die Haftung für Schäden bei der Erledigung eines Auftrags. Die Haftung aus grober Fahrlässigkeit ist gemäss OR 100 zwingend. Diese kann nicht wegbedungen werden. Und doch wird sie in AGBs immer wieder eingepflegt. Ein dritter Punkt, welcher immer wieder zu Streit Anlass gibt, ist die Gewährleistung. Die Begriffe Garantie und Gewährleistung werden zwar für den gleichen Sachverhalt verwendet, doch ihre rechtliche Wirkung ist eine je verschiedene.
Verwendung von AGBs – eine Checkliste
Ist der Einsatz von AGBs in Ihrem Unternehmen überhaupt sinnvoll, um zum Beispiel eine Vielzahl gleichartiger Geschäftsvorfälle zu regeln? Oder brauchen Sie AGBs, weil Ihre Konkurrenz welche hat? Lassen sich die wichtigsten Teile in den AGBs nicht doch besser in der Offerte notieren? Sind die AGBs für den Kunden ohne grosse Mühe einsehbar? Und richten sich diese an Business-Partner oder an Endkunden? Sind diese ausreichend klar formuliert? Falls Sie AGBs vorgelegt bekommen: Haben Sie diese sorgfältig gelesen und die Möglichkeit der Verhandlung einzelner Punkte in Betracht gezogen? Natürlich macht es Ihrem Kunden oder Lieferanten keinen Spass, dieses «Fass aufzumachen» und anzufangen, über die AGBs zu diskutieren. Die weitverbreitete Annahme, AGBs könnten nicht verändert werden, ist Nonsens. Die Frage dabei lautet eher: Wie gross ist die Chance, wirklich etwas daran zu verändern? Wenn Sie mit Ihren Geschäftspartnern auf Augenhöhe diskutieren, dann können zentrale Passagen der AGBs ihren Platz in der Auftragsbestätigung finden.
Dieser Artikel erschien zuerst in der gemeinsamen Publikation vom Konsumer und dem SKV-Verbandsorgan «Erfolg» (Heft Nr. 6/8 2019). Sponsored by: www.meinjurist.ch