Versorgt oder entmündigt? Wenn die Betreuer mehr Rechte als die Patienten haben

Früher hieß es Entmündigung, jetzt „Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt“. Doch was seit der Einführung des Betreuungsgesetzes so freundlich klingt, verschafft dem gerichtlich eingesetzten Betreuer eine große Machtfülle. Rund 1,3 Millionen Menschen stehen in Deutschland derzeit unter rechtlicher Betreuung, und viele von ihnen zu Unrecht, wie Experten meinen.
1992 wurde das Betreuungsgesetz eingeführt. Seit dieser Zeit hat sich die Zahl der Betreuten verdreifacht. Freilich kann eine Betreuung nur angeordnet werden, wenn laut Gesetz die Voraussetzungen dafür vorliegen, also eine geistige, seelische oder körperliche Behinderung oder eine psychische Krankheit.
Doch es gibt viele Fälle, in denen diese Punkte strittig oder von Einzelinteressen bestimmt sind. So können Gutachter dazu neigen, angesichts einer immer stärker auf ihnen lastenden Haftungsverantwortlichkeit, auch strafrechtlichen Verantwortlichkeit, im Zweifelsfall den zu Bewertenden eher in die Betreuungspflichtigkeit hineinzuschreiben.
Altenheime und Krankenhäuser drängen auf Betreuungen, damit sie rechtlich abgesichert sind. Für Anwälte ist es wiederum ein lohnendes Geschäft. Und Angehörige verfolgen manchmal ihre ganz eigenen Interessen. Dabei reicht die per Gericht verordnete Betreuung von leichten rechtlichen Einschränkungen bis hin zur faktischen Entmündigung. Kritiker, wie der Jurist Prof. Volker Thieler, meinen sogar, mit dem Betreuungsrecht würde stärker in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingegriffen als bei Strafgefangenen. Sehen Sie sich dazu die Doku: Entmündigt- Wenn Betreuung zum Albtraum wird an.
Lieselotte Laneresse ist verzweifelt und wütend. Die Gedanken der 62jährigen kreisen ständig nur um den einen Vorfall:
Den Tag, an dem ihre eigene Mutter mit Polizeigewalt aus ihrem Haus geholt wird. Gegen ihren Willen. Gegen den Willen der Mutter. Wie konnte es so weit kommen? Was war passiert?
Das Ganze geschah auf Anweisung einer Berufsbetreuerin. Einmal von einem Gericht amtlich bestellt, haben Betreuer das Recht, in Häuser einzudringen, den Betreuten – notfalls gewaltsam – herauszunehmen, das Vermögen allein zu verwalten, über den Aufenthalt zu entscheiden und Angehörigen Haus- und Besuchsverbot zu erteilen – und das alles zum Schutz des zu Betreuenden, der von Vertrauten scheinbar nicht mehr ausreichend gepflegt werden kann.