konsumer.info wird Konsumer
Fred Kaier verkauft seinen Blog

Der engagierte Konsumentenschützer Fred Kaier (59) aus Bonn verkauft seinen Blog konsumer.info an ein Zürcher Medien-Startup. Das deutschlandweit bekannt gewordene Konsumenten-Newsportal wurde von Kaier während fast 10 Jahren mit viel Aufwand betrieben und lieferte zahllose Beiträge und Informationen zu gängigen Konsumententhemen wie Kaffeefahrten oder Spam-Mails. In dieser Zeit wurde der Betreiber Kaier mit Klagen überhäuft, erhielt nächtliche Drohanrufe, wurde überfallen, beim Arbeitgeber angeschwärzt und im Internet auf mehr als 150 anonymen Hass-Websites massiv verunglimpft. Vor seinem definitiven Abschied nun, stand Fred Kaier für ein letztes offenes Gespräch zur Verfügung.
Information: Fred Kaier verkauft den Blog konsumer.info mit sämtlichen Rechten und Inhalten an den Verein Konsumentendienst Schweiz. Dieser will konsumer.info eingliedern in eine umfassende Medienstrategie rund um die Entwicklung eines multimedialen Schweizer Konsumentenmagazins, welches neben aktuellen News und kostenfreier Rechtsberatung seine redaktionellen Inhalte auf kreative Weise mit attraktiven Angeboten von bekannten Firmen zu verbinden suchen wird. Die Marke „KONSUMER“ soll dabei erhalten bleiben und sich in den kommenden Jahren zur starken, omnipräsenten Medienmarke entwickeln. Neben der Onlineberichterstattung, die neu unter www.konsumer.ch erfolgen wird, ist geplant, dass es den Konsumer künftig auch als gedruckte Abo-Zeitschrift geben wird sowie als gleichnamige Fernsehsendung Konsumer TV.
Konsumer: Fred, danke dass du dir Zeit nimmst für dieses Gespräch.
Fred Kaier: Das ist doch selbstverständlich. Immerhin geht es ja um den Konsumer…
…den du vor 10 Jahren gegründet hast.
Stimmt. So lange ist es bereits her.
Was hat dich dazu bewogen, dieses Magazin zu gründen?
Ende 2006 ärgerte ich mich sehr über eine Firma, die Millionen von Spam-Mails in ganz Deutschland verschickte. In den klassischen Medien wurde dieses Thema leider kaum aufgenommen. Daher fühlte ich mich fast dazu gezwungen, selber darüber zu berichten. So ging ich im Januar 2007 mit meinem Konsumentenschutz-Blog online. Damals noch unter dem Namen vorsicht-falle.net.
Und wie war das Feedback?
Es dauerte nicht lange und es meldete sich ein Anwalt, der mir drohte, den Artikel über die Spam-Firma sofort zu löschen. Das habe ich aber nicht gemacht. Später erfuhr ich dann, dass der vermeintliche Anwalt in Wahrheit ein Callcenter-Mitarbeiter einer Vertriebs-Firma war. Neben dem Möchtegern-Anwalt meldete sich aber auch das ZDF bei mir.
Das Fernsehen?
Genau. Mir wurde nahegelegt den Domain-Namen zu wechseln, da es früher einmal eine Sendung im ZDF gab mit dem Namen „Vorsicht, Falle“. Ich habe mich dann für den Namen „Konsumer“ entschieden.
Warum „Konsumer“?
Weil es um Konsumententhemen geht. Das lag nahe.
Hast du nur über Spam-Mails berichtet?
Zuerst schon. Dann kam meine Nachbarin auf mich zu, eine ältere Dame. Auf einer Kaffeefahrt hatte man ihr eine Rheumadecke für 2000 Euro verkauft. Das war offensichtlich eine Abzocke, denn dieselbe Decke gab es im Laden für weniger als 150 Euro. Darüber habe ich im Konsumer dann sehr ausführlich berichtet. Und ab da kamen die Anfragen regelrecht auf mich zugeflogen. Ich berichtete über Singlebörsen, Branchenbücher, Enkeltrickbetrug und andere Fallen. Und je mehr ich berichtete und meine Website in den Suchmaschinen auch besser gefunden wurde, desto mehr Reaktionen bekam ich. Viele positive, etwa von anderen Blogbetreibern und natürlich von Konsumenten, die sich bei mir bedankten, dass sie wegen mir nicht eine Falle getappt seien. Eine Dame rief mich einmal spät am Abend an und sagte mir: „Ich wäre fast auf eine Kaffeefahrt mitgegangen.“ Ich habe ihr dann entgegnet: „Mitfahren können Sie ja, aber kaufen Sie nichts!“ Aber das ist leichter gesagt als getan.
Dann war ja alles super, oder?
Nun ja, es gab leider auch die Kehrseite. Denn natürlich gefiel den Kaffefahrten-Anbietern und Konsorten die KONSUMER-Berichterstattung nicht sonderlich. Immer wieder wurde ich bedroht, meist am Telefon oder mit E-Mails. Da war ich aber nicht der einzige: Denn auch andere Blogbetreiber, mit denen ich mich immer mehr vernetzte, wurden mit anonymen Drohungen oder anwaltlichen Klagen eingedeckt. Ich hatte mich fast schon daran gewöhnt, aber dann ging es auf einmal richtig los.
Was ist passiert?
Ich habe einen Artikel geschrieben über die Freundin eines bekannten Abofallen-Abzockers. Diese hatte ein fragwürdiges Wellness-Produkt auf den Markt gebracht und ich habe als einer der ersten darüber berichtet. Nachdem der Artikel online war, dauerte es keine paar Stunden, schon bekam ich den ersten Anruf. Man gebe mir 1 Stunde Zeit, den Beitrag aus dem Netz zu löschen, andernfalls werde ich morgen hunderte Websites mit meinem Namen im Internet finden, auf denen behautet werde, ich sei ein Sozialhilfe-Empfänger, Verbrecher, Kinderschänder usw. Auch drohte man mir mit Schlägen.
Wie hast du reagiert?
Ich wollte mich nicht einschüchtern lassen und habe den Artikel online belassen. Am nächsten Tag fand ich tatsächlich einen Fake-Blog mit meinem Namen darin. Ein paar Tage später waren es dann hunderte. Das heisst, jeder der meinen Namen googelte, fand unzählige hasserfüllte, verleumderische Ergebnisse. In der Folge wandten sich sogar einige Freunde von mir ab, weil die dachten ich wäre tatsächlich ein ganz Schlimmer! (lacht)
Kann man das nicht einfach wieder löschen lassen?
Das ist leider nicht so einfach. Denn Google will das nicht löschen, da es unter die freie Meinungsäusserung fällt. Ich müsste in den USA klagen. Einige ganz schlimme Passagen konnte ich nach Einreichung einer Strafanzeige dank der Hilfe der Staatsanwaltschaft jedoch löschen lassen. Der Rest ist geblieben.
Jetzt dein Austritt beim Konsumer. Hast du dich am Ende doch einschüchtern lassen?
Keinesfalls. Aber weil ich immer wieder dasselbe geschrieben habe, wurde ich auf einmal der Sache überdrüssig. Es schien mir plötzlich sinnlos. Denn die Leute fallen ja doch immer wieder auf die ewig gleichen Maschen rein. Dazu kommt ein interessantes Angebot zur Übernahme meines Konsumers durch ein geeignetes Verlagshaus. So habe ich mich nach reiflicher Überlegung dazu entscheiden.
Was wünschst du dem Konsumer in Zukunft?
Ganz viel Erfolg.
Vielen Dank für das Gespräch.