Bewerbung und Schnuppertag
Wann besteht ein Lohnanspruch?

Ersatz der Vorstellungskosten
Ein Vorstellungsgespräch ist sowohl für den potentiellen Arbeitgeber als auch für den Bewerber mit Aufwendungen verbunden. Während der Arbeitgeber Zeit für die Bewerbungsgespräche aufbringt, nimmt der Bewerbungskandidat die
Anreise auf sich und stellt persönliche Unterlagen zur Verfügung. Fraglich ist, wer für welche der Kosten aufkommt. Die Gerichte sind sich einig, dass jede Partei die Kosten, welche durch ein Bewerbungsgespräch entstehen, grundsätzlich selber zu tragen hat. Bei einem Vorstellungsgespräch steht das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund, was nicht als Leistung an den potenziellen Arbeitgeber betrachtet werden kann. Dies liegt vielmehr im Interesse beider Parteien. Diese haben gleichermassen die Möglichkeit, einerseits einen ersten Eindruck des Gegenübers zu erhalten und andererseits die Verhandlungen jederzeit ohne negative Folgen abzubrechen. Das Risiko, dass kein Vertrag zustande kommt, haben die Parteien zu gleichen Teilen zu tragen. Ausgenommen von diesem Grundsatz bleiben aber jene Fälle, in welchen die Parteien eine entsprechende Kostentragung vereinbart haben oder wenn es zur Verletzung von vorvertraglichen Treuepflichten kommt.
Die Treuepflichten der Parteien im Bewerbungsprozess
Der Bewerbungskandidat und der potenzielle Arbeitgeber stehen bereits vor der ersten Kontaktaufnahme in einer rechtlichen Beziehung zueinander. Das Vertragsverhandlungsverhältnis bezeichnet das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien in diesem Stadium, wobei umgangssprachlich vom Bewerbungsprozess die Rede ist. Der Bewerbungsprozess bezweckt einen möglichen Vertragsabschluss unter den Beteiligten abzuklären und zu verhandeln.
Während dem Bewerbungsprozess gilt für beide Parteien das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben. Beide Seiten sind zu ernsthaftem Verhandeln sowie, in bestimmtem Umfang, zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Aufklärung verpflichtet. Konkret umfasst die Pflicht des ernsthaften Verhandelns das Verbot der Täuschung über Abschlussbereitschaft, wenn man in Tat und Wahrheit gar keinen Vertragsabschluss erreichen will. Dabei darf die andere Partei insbesondere nicht zu nutzlosen Aufwendungen veranlasst werden. Darüber hinaus trifft jeden Vertragspartner die Pflicht, die Andere nicht über wesentliche Tatsachen zu täuschen. Gemeint sind Tatsachen, die für dessen Entschluss, den Vertrag abzuschliessen oder zu bestimmten Bedingungen abzuschliessen, erheblich sein können.
Von einer Verletzung der Treuepflicht durch den Arbeitnehmer spricht man bei falschen Angaben, Verschweigen von wesentlichen Tatsachen oder falschen Versprechen. Dasselbe gilt für den Arbeitgeber. Dieser kann zusätzlich durch unzulässige Informationsbeschaffung ersatzpflichtig werden. Unzulässige Informationen beschafft sich der Arbeitgeber beispielsweise, indem er beim derzeitigen Arbeitgeber ohne Zustimmung des Bewerbers Auskünfte einholt. Des Weiteren schuldet der Arbeitgeber Schadenersatz, wenn er einen Bewerber, der erkennbar davon ausgeht, dass die fragliche Stelle noch zu besetzen ist, er reale Chancen habe und dem Arbeitgeber sogar die Kündigung seiner gegenwärtigen Stelle ankündigt, nicht über die Aussichtslosigkeit der Bemühungen informiert. Ausserdem wird der Arbeitgeber ersatzpflichtig, wenn er den Eindruck erweckt, dass es mit Sicherheit zu einer Anstellung kommen wird oder wenn er dem Bewerber bestimmte Zusagen macht und diese bei Vertragsschluss nicht einhalten will. Der Arbeitnehmer verletzt die Treuepflicht, wenn er die fragliche Arbeitsleistung mangels entsprechender Fähigkeiten überhaupt nicht erbringen kann oder wenn eine voraussehbare Abwesenheit mit der verabredeten Beschäftigungsdauer unvereinbar ist.
Anspruch auf Lohn bei einem Probe- oder Schnuppertag
Wenn ein potentieller Arbeitnehmer an einem Probetag bereits gewisse Arbeiten erledigt, stellt sich die Frage, ob er am Ende des Tages ein Entgelt zugute hat. Es gilt im Einzelfall zunächst abzuklären, ob ein befristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist oder nicht. Die Entstehung eines Arbeitsvertrages ist an keine Form gebunden und so kann ein Arbeitsvertrag auch mündlich entstehen. Ein Vertrag entsteht allerdings erst durch übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung beider Parteien. Dies bedeutet, dass sich beide Parteien über die wesentlichen Punkte eines Vertrages einig sein müssen. Die Entgeltlichkeit, d. h. der Anspruch auf Lohn, stellt einen primären Faktor im Arbeitsvertrag dar. Wurde betreffend dem Lohn keine Vereinbarung getroffen, so ist auf die erbrachte Leistung abzustellen. Dabei ist zu unterscheiden, ob vollwertige Arbeit
erbracht wurde, für die normalerweise eine Vergütung zu entrichten ist oder ob es viel mehr um das Kennenlernen des Betriebes und des Teams ging. Wurde durch den Arbeitnehmer vollwertige Arbeit erbracht, so hat er dafür auch einen Lohnanspruch. Stand jedoch lediglich das Kennenlernen der Arbeitsumgebung im Vordergrund, so ist dafür kein Lohn geschuldet.
Dieser Artikel erschien zuerst in der gemeinsamen Publikation vom KONSUMER und dem SKV-Verbandsorgan «Erfolg» (Heft Nr. 11/12 2019). Sponsored by: www.slp.ch